Bewältigung des Klimawandels
ganzheitlich – global – gemeinsam
Die Implikationen einer 100% dekarbonisierten deutschen Volkswirtschaft
1.
Ausgangslage: das deutsche Klimaschutzgesetz
Im Februar 2020 klagten Hannes Jaenicke (Schauspieler), Luisa Neubauer (Fridays for Future), Prof. Dr. Volker Quaschning (Scientists for Future) und Josef Göppel (CSU-Politiker, Energiebeauftragter des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit) vor dem Bundesverfassungsgericht (=BVerfG) und forderten ein strikteres Klimaschutzgesetz für Deutschland. Die Kläger wurden unterstützt durch German Watch, der Deutschen Umwelthilfe und Greenpeace. Parallelkläger waren der Solar-Förderverein Deutschland und der BUND.
Am 24.3.2021 folgte das Urteil des BVerfG, welches sich wie folgt zusammenfassen lässt:
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Kern des Urteils ist das sog. Restbudget, welches Deutschland bis 2050 eine fixe Restmenge für weitere CO₂-Emissionen aus der Verbrennung fossiler Energieträger (Kohle, Öl, Gas) einräumt. Dieses Restbudget wird vom BVerfG auf 6,7 Gt CO₂ bis 2050 beziffert. Diese Zahl wurde abgeleitet aus einem globalen Rest-Emissionsbudget von 800 Gt CO₂. Deutschland wird hierbei anhand des Verteilungsschlüssels seines Anteils an der Weltbevölkerung (=0,84%) bewertet.
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Darüber hinaus wurde festgelegt, dass von diesen 6,7 Gt ab 2030 lediglich ein Rest von weniger als 1 Gt zur Verfügung steht, was in der Zeit von 2031 bis 2050 durchschnittlich 50 Mio. t pro Jahr wären. Der Großteil der Defossilisierung (85%) von Stromerzeugung, Mobilität, Heizung von Gebäuden, Industrie ist folglich von 2022 bis 2029 (in 8 Jahren) zu leisten!
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Nebenbemerkung: Nach dem Urteil des BVerG legte die damalige Bundesregierung unter Angela Merkel am 24.6.2021 nach und verschärfte die Vorgaben nochmals: Die „Treibhausgasneutralität“ solle bereits 2045, also 5 Jahre früher als im Gesetz des BVerfG vorgeschrieben, erreicht werden.
Das Ziel der „Klimaneutralität“ ist entsprechend der Gesetzessprechung so definiert, dass bis 2045 dahin nahezu kein CO2 mehr ausgestoßen werden darf (100% Dekarbonisierung). Ein Großteil des Weges (85%) soll laut Gesetz bis 2030 erledigt sein, was Deutschland noch 6 weitere Jahre für den Komplettumbau von Energiewirtschaft, Mobilität, Gebäudeheizung, Industrie und Landwirtschaft einräumt.
2.
Stand der Energiewende in Deutschland
In den vergangen 30 Jahren/seit 1992 wurde der Ausstoß von CO2-Äquivalenten in Deutschland, ausgehend von 1.200 Mio. t, nahezu halbiert und erreichte im Jahr 2023 nach vorläufigen Schätzungen 673 Mio. t.
Das Bundesumweltamt normiert den CO2-Ausstoß auf das Bruttoinlandsprodukt (BIP), was verdeutlicht, dass Deutschland heute nur noch 45% der CO2-Emissionen von 1990 aufweist.
Der Anteil der erneuerbaren Energien bei der Stromerzeugung wurde seit dem Jahr 2000 von einem Anteil von 6,3% kontinuierlich auf 52% im Jahr 2023 gesteigert. Allerdings machte 2022 die grüne Stromerzeugung lediglich 18% des deutschen Primärenergiebedarfs (11.750 PJ = 3.264 TWh) aus.
Für eine 100% Dekarbonisierung der deutschen Volkswirtschaft (komplette Ablösung von Kohle/Öl/Erdgas durch erneuerbare Energien) ist folglich noch ein sehr weiter Weg zu gehen.
Trotzdem kann festgestellt werden, dass Deutschland in den vergangenen 30 Jahren sehr viel für den Klimaschutz erreicht hat!
3.
Kosten einer CO₂ freien Volkswirtschaft
Eine Analyse von Prognosen und Studien, die das Handelsblatt Research Institute (HRI) ausgewertet hat ergab, dass allein für den Umbau der Energieerzeugung in Deutschland in den kommenden Jahren Investitionen von ca. 1.110 Mrd.€ anstehen:
- Den Großteil der zu erwartenden Kosten dürfte dabei die Umstrukturierung der Stromnetze verursachen: 496 Mrd.€ für den Aus- und Umbau von On- und Offshore-Übertragungsnetzen (156 und 157 Mrd.€) sowie 183 Mrd.€ für Verteilernetze.
- 440 Mrd.€ für den Ausbau der erneuerbaren Energien
- 70 Mrd.€ für den Neubau flexibel steuerbarer H2-ready Gaskraftwerke einschließlich Pump- und Batteriespeicher
- 28 Mrd.€ für Energiespeicher bzw. Heim- und Wasserstoffspeicher
- 10 Mrd.€ für CO2 bzw. CCS-Speicher und CO2-Transport
- 35 Mrd.€ für ein Wasserstoffnetz und
- 20 Mrd.€ für ein Fernwärmenetz
In dieser Analyse sind die Kosten für die Verkehrswende, die Wärmewende bei der Gebäudeheizung, sowie für eine Dekarbonisierung der Industrie noch nicht inbegriffen.
Andere Studien bewerten den Gesamtaufwand für eine vollständige Dekarbonisierung von Deutschland auf ein Vielfaches der HRI-Studie. Für die weiteren Betrachtungen geht 4Pi-Solutions von einer Gesamtinvestition von ca. 3.000 Mrd.€ aus.
4.
Finanzierung der grünen Transformation in Deutschland
Seit dem Jahr 2000 konnte Deutschland ein beachtliches Wirtschaftswachstum verzeichnen und das Bruttoinlandsprodukt (BIP) verdoppelte sich nahezu von 2.109 Mrd.€ auf 4.121 Mrd.€ in 2023. Im Durchschnitt der vergangenen 5 Jahre lagen die Steuereinnahmen zwischen 800 und 900 Mrd.€ pro Jahr und die Nettoneuverschuldung lag zwischen 150 und 200 Mrd.€ pro Jahr (siehe Grafik).
In den Jahren 2000 bis 2012 lag die Neuverschuldung bei durchschnittlich 100 Mrd. € pro Jahr.
Im Zeitraum von 2013 bis 2019 gelang es, die Neuverschuldung zu reduzieren und Schulden zu tilgen.
Insbesondere seit 2019 ist die Neuverschuldung unseres Landes jedoch wieder stark angewachsen. Gründe: Corona Krise, Ukrainekrieg, Energiepreisbremse, Klimaschutzmaßnahmen, …
Die gesamte Staatsverschuldung Deutschlands betrug Stand Ende 2023 nahezu 2.500 Mrd.€.
Deutschland ist aktuell mit einer Vielzahl von Herausforderungen konfrontiert, welche die zukünftigen Staatshaushalte belasten werden: dauerhaft hohe Energiekosten, Inflation, hohe Zinsen, demografischer Wandel, Finanzierungslücken in der Rentenkasse, Migration, Intensivierung des globalen Wettbewerbs (z.B. China als neuer Player in der Autoindustrie), kriegerische Auseinandersetzungen in Verbindung mit steigenden Rüstungsausgaben u.v.m.
Aufgrund all dieser Herausforderungen geht 4Pi-Solutions für den Zeitraum der nächsten 5 Jahre von einem geringeren Bruttoinlandsprodukt in Kombination mit einer hohen Nettoneuverschuldung aus:
- Ohne Berücksichtigung der Transformationskosten (3.000 Mrd.€) gehen wir für die weiteren Betrachtungen von einer jährlichen Nettoneuverschuldung von 200 Mrd.€ pro Jahr aus.
- Verteilt man die Transformationskosten für eine CO₂-freien Volkswirtschaft (3.000 Mrd.€) gleichmäßig auf die Jahre 2025 bis 2045 (= 20 Jahre), so wären dies zusätzlich 150 Mrd.€, die durch den Staat, den Bürger, die Industrie, die Finanzinstitute jährlich aufzubringen wären.
Unsere Modellrechnung verdeutlicht, dass in den Jahren 2025 bis 2045 jeweils eine Netto-Neukreditaufnahme von 350 Mrd.€ pro Jahr erforderlich wäre und die Gesamtschuldenlast bis 2045 auf 9.500 Mrd.€ anwachsen würde.
Mit den genannten Zahlen würde Deutschland gegen alle Kriterien des EU-Stabilitätspaktes verstoßen: jährliche Neuverschuldung von maximal 3% das BIP und Schuldenstand von maximal 60% des BIP.
5.
Auswirkungen einer 100% CO₂-freien Volkswirtschaft auf Deutschland und seine Zukunft
Aus Sicht von 4Pi-Solutions bringt der von Deutschland eingeschlagene Weg die nachfolgenden Herausforderungen mit sich:
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Aus heutiger Sicht werden die großen CO₂-Emittenten China, USA, Indien, Russland dem deutschen Vorbild nicht folgen.
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Der nationale Alleingang in der deutschen Klimapolitik entfaltet keine globale Wirksamkeit, da wir lediglich für 2% der globalen CO₂-Emissionen verantwortlich sind. Die in Deutschland eingesparten fossilen Energieträger verschwinden nicht etwa vom Markt, sondern werden von anderen Marktteilnehmern im Rest der Welt verbrannt und landen als Klimagas in der Atmosphäre.
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Aufgrund des zu erwartenden Anstiegs der Staatsverschuldung stehen unserem Land zukünftig kaum noch finanzielle Mittel für andere wichtigen Investitionen zur Verfügung: Entwicklung innovativer Technologien, Modernisierung der Bundeswehr, Digitalisierung, Bildungsoffensive, Anpassung an den Klimawandel u.v.m.
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In Deutschland werden die Energiekosten noch weiter ansteigen und unser Land Deutschland wird sich immer weiter vom Rest der Welt abkoppeln. Dies führt bei uns zu Inflation, einem Rückgang von Konsum und Wachstum und in der Folge zu Wohlstandsverlusten bei den Bürgern.
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Gestiegene Kosten in Kombination mit umfangreichen Regularien für den Klimaschutz führen dazu, dass deutsche Unternehmen auf dem Weltmarkt zunehmend an Wettbewerbsfähigkeit verlieren und unserem Land den Rücken kehren. Die mit erheblichen Arbeitsplatzverlusten verbundene De-Industrialisierung ist leider bereits in vollem Gange.
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Die fatale Folge: Rückgang der Steuereinnahmen bei gleichzeitigem Anstieg von Sozialkosten, Modernisierungskosten für die Bundeswehr u.v.m. Zusätzlich führt der demographische Wandel zu einer weiteren Belastung der Sozialkassen, weil sich das Ungleichgewicht zwischen der arbeitenden Bevölkerung und den Rentenempfängern immer weiter vergrößert.
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Das Resultat: Weder das deutsche Klima noch das Weltklimaproblem können erfolgreich verbessert werden. Jungen Menschen in Deutschland werden die Zukunftsaussichten auf gut bezahlte Arbeitsplätze und ein Leben in Wohlstand genommen. Sie beginnen ihr Berufsleben mit einem Schuldenrucksack, der kaum zu schultern ist.
Der eingeschlagene Weg verstößt offensichtlich gegen den Grundsatz der Generationengerechtigkeit. Es muss ein gangbarer Kompromiss gefunden werden!
In unserem nächsten Newsletter berichten wir über mögliche Auswege aus der Deutschen Klimakrise.
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