Bewältigung des Klimawandels
ganzheitlich – global – gemeinsam
Das Pariser Klima-Abkommen
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Zu was verpflichtet es uns – und zu was nicht?
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Wie wird es von den einzelnen Ländern interpretiert und umgesetzt?
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Was sind die Folgen?
Oft wird bei der Diskussion um Klimaziele darauf verwiesen, wir hätten uns mit dem Pariser Klima-Abkommen (PKAK) zu Null-Emissionen im Jahr 2050 verpflichtet. Wer dies behauptet, hat es ganz offensichtlich nicht gelesen. Liest man es, kommt man zu erstaunlichen Erkenntnissen, die kaum thematisiert werden.
Ziel der Vereinbarung (Artikel 2)
Es gibt drei Hauptziele, die von den Unterzeichnern unterstützt werden:
- Die Unterzeichner unternehmen Anstrengungen, dass der Anstieg der globalen Temperatur auf möglichst 1,5 Grad, höchstens aber auf 2 Grad begrenzt wird
- Die Anpassungsfähigkeit an die Auswirkungen der Klimaänderungen soll gestärkt werden, ohne dass die Nahrungsmittelerzeugung bedroht wird.
- Die Finanzflüsse sollen in Einklang gebracht werden mit den beiden ersten Zielen.
So weit, so gut, so sinnvoll und bekannt.
Weniger bekannt dagegen ein Grundsatz, mit weitreichende Folgen im weiteren Verlauf des Dokuments:
Grundlage des PKAK ist das UN-Klimarahmenabkommen (UNFCCC). Dort wird in der Präambel klar festgehalten, dass die entwickelten Länder Hauptverursacher des Klimawandels sind und die Entwicklungsländer die Leidtragenden (Im PKAK wird dieses Statement abgeschwächt wiederholt). Dies bildet die Grundlage für die massive Ungleichbehandlung von entwickelten Ländern und Entwicklungsländern, wie nachfolgend dargestellt.
Zu was sich die Unterzeichner verpflichten (Artikel 4)
Die Unterzeichner verpflichten sich:
- zu Bestrebungen, möglichst bald den Scheitelpunkt der Emissionen zu erreichen
- in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts ein Gleichgewicht zwischen Emissionen und Senken herzustellen
- Maßnahmen zu Emissionsreduzierung zu entwickeln, zu dokumentieren, und regelmäßig zu
Dabei gibt es aber wesentliche Unterschiede zwischen den entwickelten Ländern und den Entwicklungsländern, auf Basis des oben beschriebenen „Schuld“-Prinzips:
Entwickelte Länder | Entwicklungsländer |
… verpflichten sich zu absoluten, konkreten Reduktionszielen | … werden ermutigt, mit der Zeit auf Reduktionsziele überzugehen |
… können keine wirtschaftlichen Bedürfnisse geltend machen | … können wirtschaftliche Bedürfnisse berücksichtigen |
… unterstützen die Entwicklungsländer technologisch und finanziell | … werden finanziell und technologisch unterstützt |
Somit werden die Entwicklungsländer eigentlich zu fast nichts verpflichtet. Sie sollen sich sozusagen „bemühen“, konkret und verbindlich werden müssen sie nicht. Die entwickelten Länder dagegen gehen konkrete Verpflichtungen zur Emissionsreduzierung und finanzieller Unterstützung der Entwicklungsländer ein.
Wohlgemerkt: auch wirtschaftsstarke Länder wie China, Indien, Mexiko, die Türkei oder Brasilien werden im PKAK als Entwicklungsländer klassifiziert! Insgesamt sind die Entwicklungsländer für knapp 70% der Emissionen verantwortlich. Es kann also keine Rede davon sein, dass sie keine Verursacher sind. Trotzdem werden als Opfer behandelt und wenig gefordert.
Zu was sind die Unterzeichner nicht verpflichtet
- Keine Forderung nach Null-Emissionen, sondern „Netto-Null“, also unter voller Einbeziehung der natürlichen und technischen Senken (z.B. CCS)
- Kein festgelegter allgemeiner Reduktionspfad. Jedes Land definiert diesen selbst.
- Jedes Land definiert die eingerechnete Senkenleistung sowie die daraus resultierenden Restemissionen selbst.
- Das Jahr 2050 wird nicht erwähnt, sondern „in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts“.
Die Verpflichtung des PKAK wäre also erfüllt, wenn sich zum Beispiel Deutschland verpflichten würde, statt Null-Emissionen 2045 zu erreichen, Netto-Null-Emissionen (Einbeziehung aller Senken einschließlich CCS und DAC) bis 2099 zu erreichen.
Die Bedeutung der Senken
Bekanntlich werden derzeit ca. 50% der anthropogenen Emissionen durch die natürlichen Senken, im Wesentlichen je zur Hälfte durch Landsenken und Ozeane, absorbiert. Trotzdem gilt nach UNFCCC/PKAK-Definition folgender Grundsatz:
- Die Landsenken dürfen von den einzelnen Ländern angerechnet werden, sofern sie sich strikt in deren Territorium befinden.
- Die Ozeane dagegen dürfen nicht angerechnet werden, mit der absurden Begründung, dass die Ozeane „niemanden gehören“ und deshalb auch von niemand angerechnet werden dürfen.
Die absurde Folge: die Summe der Einzelmaßnahmen der Länder müssen weit höher sein, als es global nötig wäre.
Wie gehen die Länder damit um?
China: der strategische Nutznießer
China ist derzeit mit 12 Gt/Jahr für 31% der weltweiten Emissionen verantwortlich. Es verspricht, bis 2060 klimaneutral zu sein. Es gibt viele interessante offizielle Dokumente, in denen mit beeindruckenden Zahlen die Anstrengungen Chinas geschildert werden. Leider sind diese Zahlen entweder nichtssagend oder irreführend. Beispiel:
China verspricht, bis 2030 die CO2-Emissionen auf 65% gegenüber 2005 zu senken. Klingt gut, wäre da nicht der kleine Zusatz „per GDP Unit“ – also: bezogen auf das BIP. Da man davon ausgehen kann, dass das BIP 2030 etwa 9mal höher sein wird als 2005 (damals waren die Emissionen 5,6 Gt/Jahr), würde das für 2030 Emissionen von 5,6 * 9 * 35% = 17,6 Gt/Jahr bedeuten – also noch weit höher als heute. Allerdings hat China auch versprochen, den Höhepunkt der Emissionen bis 2030 zu erreichen, die 15,6 Gt werden also vermutlich nicht erreicht werden. Es gibt viele andere solcher „Rechentricks“, dazu vielleicht an anderer Stelle mehr. Dazu kommt aber:
- China gibt keinerlei Emissionspfad nach 2030 an.
- Die „Klimaneutralität“ (2060) wird nicht mit Zahlen unterfüttert: wie viele technische und natürlich Senken, wieviel Restemissionen, welchen Pfad dahin?
- Es werden viele Senkenprojekte erwähnt, aber mit kaum Zahlen unterfüttert.
- Dieses Wenige wird auch noch unter den Vorbehalt der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung gestellt.
An dieser Stelle muss auch die Kennzahl „CO2-Emission pro USD BIP“ betrachtet werden. Dies ist ein guter Indikator dafür wie effizient die Gesellschaft (Wirtschaft, Industrie, Privater Sektor) bezüglich Emissionen bereits ist. Hier liegt China mit 0,7Kg CO2/USD extrem hoch, sprich: ineffektiv. Die USA und Europa sind ca. Faktor 4 besser. China ist also erst am Beginn eines langen Weges, den die westlichen Länder bereits ein gutes Stück zurückgelegt haben.
Wir können also festhalten: China legt das PKAK mit seinen vielen Freiheiten für Entwicklungsländer großzügig aus. Auf der anderen Seite ist China aber der Weltmarktführer für die Technologien und Rohstoffe, die im Rest der Welt, der – wie insbesondere die entwickelte Welt – dringend braucht, um seine Energiewende massiv voranzutreiben:
Das PKAK bietet für China also die Basis für einen Boost der Technologien, in denen sie fast ein Monopol haben. Auf der anderen Seite haben kaum keine harten Verpflichtungen. Es ist also der „ultimative Jackpot“ für China. Dazu passt die Meldung der WELT, dass China Klima-NGOs im Westen finanziell unterstützen.
Indien: der komfortable Mitläufer
Indien ist besonders großzügig zu sich. Mit einem weltweiten Emissionsanteil von 7% und sehr schlechten 0,8Kg CO2/USD liegt es bezüglich Emissionen auf dem gleichen Niveau wie Europa, in Bezug auf Effizienz aber Faktor 4 schlechter. Trotzdem macht Indien nur sehr vage, unverbindliche Versprechungen, ohne sie mit konkreten Zahlen zu untermauern. Einzig, dass sie 2070 klimaneutral sein wollen, indem bis dahin so viele Landsenken aufgebaut sein sollen, dass die 2,7Gt /Jahr fast durch die neuen e Senken kompensiert werden. Keiner weiß, wie das genau gehen soll, und Indien erklärt es auch nicht näher.
USA: ambitioniert, aber nicht rechtsverbindlich
Deutlich weiter gehen die USA. Das müssen sie als entwickeltes Land auch. Sie sind mit 14% ein sehr bedeutender Emittent. Mit 0,2Kg CO2/USD sind sie bereits sehr effizient. Sie wollen bis 2050 klimaneutral sein, unter Einbeziehung technischer Senken wie CCS und natürlicher Senken. Dazu gibt es genau definierte Ziele, mit Zwischenzielen, auf Sektoren heruntergebrochen. Allerdings gibt es kein Klimaschutzgesetz. Mit anderen Worten: die Ziele sind rechtlich nicht verbindlich.
Europa: der Übererfüller
Noch weiter geht Europa mit dem „Green Deal“. Ihr Weltanteil ist 7%, und mit 0,16Kg CO2/USD sind sie bereits sehr effizient. Die Klimaneutralität ist für 2050 angekündigt, wobei Klimaneutralität hier nahe an Null-Emission kommt, weil nur wenige Senken einberechnet werden. Dazu kommen genau definierte Zwischen- und Sektorziele. Vor allem aber: Europa hat ein verbindliches Klimaschutzgesetz, das die Ziele rechtlich verbindlich und einklagbar festschreibt.
Deutschland: der Klima-Asket
Deutschland ist der ungekrönte Klima-Weltmeister in jeder Beziehung:
- Emissionsanteil < 2%
- Effizienz: mit nur 0,16Kg CO2/USD Weltspitze
- Klimaneutral bis 2045 (Weltmeister!)
- Sehr ambitionierte Zwischenziele: gegenüber 1990: 2030: -65%, 2040: – 88%
- Kaum Einberechnung von Senken: kaum Landsenken, CCS nur in Nischen erlaubt. Daher: Netto-Null = absolut Null.
- Rechtlich verbindlich und einklagbar durch Klimaschutzgesetz!
- Jährliche Zahlungen von rund 10 Mrd EUR an „Klimageld“ an Entwicklungsländer – Tendenz steigend!
Diese weltweit einzigartigen Klima-Anstrengungen führen bekanntlich derzeit zu einer schleichenden Deindustrialisierung Deutschlands. Dabei wird vergessen, dass die Verlagerung von energieintensiver Produktion ins Ausland, z.B. nach Indien oder China, aufgrund der schlechten CO2/USD-Bilanz in diesen Ländern zu einer erheblich höheren Emission führt. Für das Klima ist es also kontraproduktiv, wenn Deutschland seine Maßnahmen so überzieht, dass die Industrie auswandert.
Das Paradoxon
Eigentlich müsste man erwarten: Wer mehr emittiert, müsste auch mehr einsparen. Doch das Gegenteil ist der Fall:

Je größer der weltweite Emissionsanteil eines Landes – und je schlechter seine CO₂-Effizienz – desto geringer und unverbindlicher sind seine Anstrengungen zur Verbesserung.
Dieses Paradoxon führt zur entscheidenden Frage:
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Kann eine globale Klimastrategie funktionieren, bei der diejenigen mit den geringsten Emissionen und der höchsten Effizienz am meisten verzichten – und diejenigen mit den größten Emissionen am wenigsten verpflichtet werden?
Und dies führt zum Fazit:
Unser Fazit
Man könnte zugespitzt formulieren: Das Pariser Klimaabkommen ist kein klassischer Klimavertrag, sondern ein geopolitischer Kompromiss – Klimaschutz im Westen gegen Entwicklungsspielräume im globalen Süden.
Ob das eine rationale Klimastrategie ist oder ein moralpolitisches Schuldbekenntnis des Nordens, bleibt offen. Aber solange 30 % der Weltgemeinschaft sich abmüht, während die restlichen 70 % ihren Ausstoß weiter erhöhen dürfen, verfehlt das Pariser Klima-Abkommen sein Ziel weit und führt sich selbst ad absurdum!

